Wunschtraum oder Wirklichkeit?

Eine reale Begebenheit

Vor einiger Zeit lernte ich in einer Stadt mit ca. 15.000 Einwohnern mehrere gläubige Ehepaare kennen. Die kirchliche Situation war äußerst notvoll. Darum ging eines von den besagten Ehepaaren zum Gottesdienst in eine andere Stadt, eines in eine benachbarte Großstadt, eines besuchte die monatlichen Versammlungen eines überkonfessionellen Missionswerkes, eines fuhr Sonntag für Sonntag in eine über 100 km entfernte Gemeinde und weitere Ehepaare ernährten sich geistlich von Büchern, Freizeiten und besonderen christlichen Veranstaltungen.

Fehlt diesen Gläubigen nicht die Sicht für biblische Gemeinde? Die einen halten an den fragwürdigen Großkirchen oder an der Kompromissstruktur der Landeskirchlichen Gemeinschaften fest (in letzteren ereignen sich gegenwärtig einige erfreuliche Umbrüche). Die anderen flüchten in eine Art Individualfrömmigkeit und begnügen sich, allenfalls noch in Gestalt eines Hauskreises mit anderen Kindern Gottes Gemeinschaft zu pflegen. Solche Christen wollen durchaus an der Autorität der ganzen Heiligen Schrift festhalten und nehmen sie für die Gestaltung des persönlichen Lebens weithin verbindlich. Aber alles, was die Schrift über Gemeindegründung, -aufbau und -leben zu sagen hat, trägt für sie lediglich den Charakter einer "Kannbestimmung". Geschichtlich gewachsene Strukturen, hinter die man nicht zurückgehen will, und andere traditionell bedingte Argumente stehen in diesem Zusammenhang höher als das von Gottes Geist inspirierte Wort. Könnte sich der lebendige Gott in der oben angeführten Stadt nicht mehr verherrlichen, wenn dort eine an der Schrift orientierte Gemeinde entstünde?

 

Der Mythos der idealen Gemeinde

Die ideale Gemeinde gibt es auf dieser Erde nicht. Die Gemeinde Jesu ist in dieser Weltzeit noch in unvollendetem Zustand. Weil alle Christen noch sündigen und nicht ständig geistregiert leben, trägt auch die Gemeinde Gottes, wo immer sie sich örtlich versammelt, unbiblische Züge an sich. Wer davor die Augen verschließt, ist ein unnüchterner Schwärmer.

Dennoch soll diese Schrift ermutigen, dem Vorbild des Urchristentums nachzueifern. Wenn wir biblische Gemeinde bauen wollen, muss die Heilige Schrift allein und hundertprozentig der Maßstab sein. Alles, was sie lehrt, soll praktiziert werden, und alles, was im Widerspruch zur Bibel steht, muss abgelehnt werden. Es gibt ein klar definiertes Gemeindebild im Neuen Testament.

 

1. Biblische Gemeinde ist zunächst eine geistliche Körperschaft und ein himmlischer Organismus...

Das Neue Testament spricht mehr als hundert mal von der "Ekklesia" (wörtlich: die Herausgerufenheit oder die Herausgerufenseinschaft). Davon ist einige Male die Gesamtgemeinde aller Gläubigen während des gegenwärtigen Zeitalters gemeint, zum Beispiel in Matthäus 16,18 . Die universale Gemeinde ist identisch mit dem Leib Christi.

Nur wiedergeborene, mit dem Heiligen Geist versiegelte Menschen gehören dazu. Dieser weltweite Leib des Christus ist im Unterschied zu Israel ein "himmlisches Volk". Israel war und ist Gottes irdisches Volk. Es wurde in dieser Zeit erwählt, hat ein sichtbares Land mit einem sichtbaren Zentrum und einer konkreten Reichserwartung hier auf dieser Erde.

Die Gemeinde des Christus ist hingegen in ihrem Wesen nach ein "himmlisches Volk". Sie wurde vor Grundlegung der Welt erwählt, wird jetzt in dieser Zeit aus den Juden und aus den Nationen herausgerufen, und wird am Tag der Entrückung in den Himmel geholt werden. Die Gemeinde Jesu ist ein himmlischer Organismus...

...darum vermischt sie sich nicht mit irdischen Institutionen

Weil die Gemeinde Gottes ein geistlicher, himmlischer Organismus ist, darf er nicht mit irdischen oder staatlichen Körperschaften vermengt werden. In der Kirchengeschichte wurden die Weichen an dieser Stelle leider oft falsch gestellt. Die gravierendsten Fehlentwicklungen geschahen im 4. und im 16. Jahrhundert, als die beiden großen Staatskirchen entstanden. Gott wollte zu keiner Zeit diese unselige Verquickung von wiedergeborenen Jüngern und formalen "Taufschein-Christen". Es war nie Gottes Wille, dass Gläubige und Ungläubige "zusammengejocht" werden. Der Apostel Paulus schrieb: "Geht nicht unter fremdartigem Joch mit Ungläubigen" 2. Korinther 6,14 . Dieser Abschnitt bezieht sich im Kontext des 2. Korintherbriefs zuerst auf religiöse Vermischung.

 

2. Biblische Gemeinde hat Christus im Zentrum...

Er selbst, der auferstandene, lebendige Herr soll im Mittelpunkt der Anbetung, des Gesanges und der Verkündigung stehen. Wenn alle Herzen auf ihn ausgerichtet sind, wird die Gegenwart Gottes ganz real erlebbar. Dies ist das alles entscheidende Kennzeichen einer lebendigen, biblischen Gemeinde. Die Nähe des Herrn wird viele Glieder motivieren, die Sünde zu meiden und in erster Linie für Christus zu leben.

...darum besitzt sie kein irdisches Zentrum

Weil biblische Gemeinde Christus im Zentrum hat, besitzt sie kein irdisches Zentrum - weder in Jerusalem, noch in Antiochia, weder in Rom, noch in Brooklyn. Die Schrift lehrt die organisatorische, finanzielle und geistliche Unabhängigkeit der Ortsgemeinde. Jede Art von Zentralismus birgt Gefahren in sich. Biblische Gemeinden dulden keine andere Instanz über sich als den auferstandenen Herrn, das Haupt der Gemeinde. Und diese örtlichen Gemeinden sollen quasi en miniature den weltweiten Leib des Christus darstellen.

 

3. Biblische Gemeinde hat eine verborgene, innere Herrlichkeit...

Biblische Gemeinde fällt nicht unbedingt durch eine äußere Attraktion auf, sondern sie besitzt vielmehr eine verborgene, innere Herrlichkeit. Die ganze Bibel zeigt uns, dass Gott nicht mit Macht und Getöse kommt, sondern in Niedrigkeit und Unscheinbarkeit. Seine Herrlichkeit war quasi vor den Augen der Welt verborgen. Die Stiftshütte und der Tempel Salomos waren von außen her betrachtet eher unscheinbar. Aber innen glänzte alles von purem Gold.

 

Der Prophet Jesaja beschreibt das irdische Auftreten Jesu mit den Worten:

Jesaja 53,2:
"Er wuchs auf vor ihm wie ein Schößling, wie ein Wurzelsproß aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; wir sahen ihn, aber sein Anblick gefiel uns nicht."

Und doch wohnte die ganze Fülle der Gottheit in ihm. Sollte die Gemeinde Christi eine äußere Attraktion besitzen? Das wünschten sich natürlich viele Gläubige, gerade heute in unserer weltseligen Christenheit. Das Neue Testament zeigt aber für die Versammlung Gottes einen anderen Weg. Der Schlüssel für das Wohlgefallen Gottes, das über der Gemeinde von Philadelphia war, wird in dem unscheinbaren Sätzlein erkennbar:

Offenbarung 3,8:
Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine geöffnete Tür gegeben, und niemand kann sie schließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet.

 

...darum genießt sie nicht unbedingt gesellschaftliche Popularität

Die Gemeinde Philadelphia hatte eine kleine Kraft. Sie stellte nach außen hin nichts Weltbewegendes dar. Sie war unscheinbar, von der Welt ignoriert oder sogar verachtet. Sie besaß keine gesellschaftliche Größe. Sie war kein Machtfaktor in dieser Welt - aber sie hatte eine verborgene, innere Herrlichkeit! Das ist der Weg der Gemeinde Jesu durch diese Weltzeit. Biblische Gemeinde ist eine Kontrastgesellschaft, Gottes neues Volk auf dieser alten Erde. Es ist Gemeinde Jesu in Knechtsgestalt, oft benachteiligte und verfolgte Gemeinde - noch nicht triumphierende Gemeinde. Gemeinde Jesu Christi ist jetzt in diesem Zeitalter "Gemeinde unter dem Kreuz". Eine biblische Gemeinde bejaht das und strebt nichts anderes an. Sie lehrt ihre Glieder, daß ein kompromissloses Christentum Verfolgung mit sich bringen kann.

Diese Sicht hat auch Auswirkungen auf das Erscheinungsbild. Eine Gemeinde sollte nicht nur nach äußeren Gesichtspunkten beurteilt werden! Wie oft höre ich Sätze wie diese: "Die haben ein tolles Gebäude; und ein Super-Musikprogramm; und der Lobpreis ist spitze; und die Anspielgruppe hervorragend; und der Pastor ist so humorvoll und spritzig; und die Predigt dauert nur 20 Minuten...? Ich fürchte, dass die Popularität zahlreicher Gemeinden in dieser Welt mit manchen widergöttlichen Kompromissen erkauft worden ist. Hier fehlt oft schriftgemäße Absonderung von der Welt.

 

4. Biblische Gemeinde hat schriftgemäße Strukturen...

Biblische Gemeinde ist ein lebendiger Organismus. Von den inneren bis zu den äußeren Ordnungen ist Gemeinde Gottes Schöpfung, oder sie ist eine Imitation von menschlicher Versammlung, menschlichem Management und menschlicher Organisation. Wo der Organismus tot ist, da lebt die Organisation. Aber jeder Organismus braucht Strukturen. Biblisches Leben benötigt biblische Strukturen. Fragt man nach der strukturellen Definition neutestamentlichen Gemeindelebens, wird allzu schnell mit Apostelgeschichte 2,42 geantwortet: "Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten." Die hier genannten Elemente gehören zwar unbedingt zu einer neutestamentlichen Gemeinde, aber wer nur diese vier nennt, erhält eine verkürzte Definition, die dann vielleicht auch auf "Kirchengemeinden" oder "landeskirchliche Gemeinschaften" zutrifft. Es bewahrheitet sich hier einmal mehr die Erkenntnis: Ein Vers allein kann leicht falsche (oder unzureichende) Lehre ergeben - die ganze Schrift ergibt die richtige Lehre.

Ich erkenne in der Bibel folgende unverzichtbare Elemente für neutestamentliches Gemeindeleben.

In der Reihenfolge ist keine Wertigkeit enthalten; die Aufzählung erhebt auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

...darum überwindet sie traditionelle, aber unbiblische Strukturen

Wo Gottes Geist Raum hat, verändern sich zunächst die Herzen, dann aber auch unbiblische Strukturen. Strukturen schaffen zwar kein Leben, doch können falsche Strukturen die Entfaltung geistlichen Lebens aufhalten. Nach meiner Beobachtung ist es besonders hinderlich, wenn sich "ordinierte Vollzeitliche" zu unentbehrlichen Amtspersonen machen. Was hindert uns, umzudenken und konsequent zu dem biblischen Gemeindemodell zurückzukehren?

 

5. Biblische Gemeinde gestaltet ihre Versammlungen für Christen...

Über das Zusammenkommen der Gemeinde lehrt der Apostel Paulus hauptsächlich in 1. Korinther 11,1-16 ; 1. Korinther 12,1-311. Korinther 12,1-31: Über die Geisteswirkungen aber, ihr Brüder, will ich euch nicht in Unwissenheit lassen. Ihr wißt, daß ihr einst Heiden wart und euch fortreißen ließt zu den stummen Götzen, so wie ihr geführt wurdet. Darum lasse ich euch wissen, daß niemand, der im Geist Gottes redet, Jesus verflucht nennt; es kann aber auch niemand Jesus Herrn nennen als nur im Heiligen Geist. Es bestehen aber Unterschiede in den Gnadengaben, doch es ist derselbe Geist; auch gibt es unterschiedliche Dienste, doch es ist derselbe Herr; und auch die Kraftwirkungen sind unterschiedlich, doch es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Jedem wird aber das offensichtliche Wirken des Geistes zum [allgemeinen] Nutzen verliehen. Dem einen nämlich wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber ein Wort der Erkenntnis gemäß demselben Geist; einem anderen Glauben in demselben Geist; einem anderen Gnadengaben der Heilungen in demselben Geist; einem anderen Wirkungen von Wunderkräften, einem anderen Weissagung, einem anderen Geister zu unterscheiden, einem anderen verschiedene Arten von Sprachen, einem anderen die Auslegung der Sprachen. Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der jedem persönlich zuteilt, wie er will. Denn gleichwie der Leib {einer} ist und doch viele Glieder Ich bin keine Hand, darum gehöre ich nicht zum Leib! - gehört er deswegen etwa nicht zum Leib? Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum gehöre ich nicht zum Leib! - gehört es deswegen etwa nicht zum Leib? Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Ohr wäre, wo bliebe der Geruchssinn? Nun aber hat Gott die Glieder, jedes einzelne von ihnen, so im Leib eingefügt, wie er gewollt hat. Wenn aber alles {ein} Glied wäre, wo bliebe der Leib? Nun aber gibt es zwar viele Glieder, doch nur {einen} Leib. Und das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht! oder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht! Vielmehr sind gerade die scheinbar schwächeren Glieder des Leibes notwendig, und die [Glieder] am Leib, die wir für weniger ehrbar halten, umgeben wir mit desto größerer Ehre, und unsere weniger anständigen erhalten um so größere Anständigkeit; denn unsere anständigen brauchen es nicht. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, daß er dem geringeren Glied um so größere Ehre ; 1. Korinther 13,1-131. Korinther 13,1-13: Wenn ich in Sprachen der Menschen und der Engel redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben besäße, so daß ich Berge versetzte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe austeilte und meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, aber keine Liebe hätte, so nützte es mir nichts! Die Liebe ist langmütig und gütig, die Liebe beneidet nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf; sie ist nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu; sie freut sich nicht an der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. Die Liebe hört niemals auf. Aber seien es Weissagungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. Denn wir erkennen stückweise und wir weissagen stückweise; wenn aber einmal das Vollkommene da ist, dann wird das Stückwerk weggetan. Als ich ein Unmündiger war, redete ich wie ein Unmündiger, dachte wie ein Unmündiger und urteilte wie ein Unmündiger; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was zum Unmündigsein gehört. Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels wie im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe. ; 1. Korinther 14,1-151. Korinther 14,1-15: Strebt nach der Liebe, doch bemüht euch auch eifrig um die Geisteswirkungen; am meisten aber, daß ihr weissagt! Denn wer in Sprachen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht es, sondern er redet Geheimnisse im Geist. Wer aber weissagt, der redet für Menschen zur Erbauung, zur Ermahnung und zum Trost. Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst; wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde. Ich wünschte, daß ihr alle in Sprachen reden würdet, noch viel mehr aber, daß ihr weissagen würdet. Denn wer weissagt, ist größer, als wer in Sprachen redet; es sei denn, daß er es auslegt, damit die Gemeinde Erbauung empfängt. Nun aber, ihr Brüder, wenn ich zu euch käme und in Sprachen redete, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch redete, sei es durch Offenbarung oder durch Erkenntnis oder durch Weissagung oder durch Lehre? Ist es doch ebenso mit den leblosen Instrumenten, die einen Laut von sich geben, sei es eine Flöte oder eine Harfe; wenn sie nicht bestimmte Töne geben, wie kann man erkennen, was auf der Flöte oder auf der Harfe gespielt wird? Ebenso auch, wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampf rüsten? So auch ihr, wenn ihr durch die Sprache nicht eine verständliche Rede gebt, wie kann man verstehen, was geredet wird? Denn ihr werdet in den Wind reden. Es gibt wohl mancherlei Arten von Stimmen in der Welt, und keine von ihnen ist ohne Laut. Wenn ich nun den Sinn des Lautes nicht kenne, so werde ich dem Redenden ein Fremder sein und der Redende für mich ein Fremder. Also auch ihr, da ihr eifrig nach Geisteswirkungen trachtet, strebt danach, daß ihr zur Erbauung der Gemeinde Überfluß habt! Darum: Wer in einer Sprache redet, der bete, daß er es auch auslegen kann. Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet zwar mein Geist, aber mein Verstand ist ohne Frucht. Wie soll es nun sein? Ich will mit dem Geist beten, ich will aber auch mit dem Verstand beten; ich will mit dem Geist lobsingen, ich will aber auch mit dem Verstand lobsingen. . Wenn ich diesen Abschnitt richtig verstehe, liegt der Schwerpunkt aller gemeindlichen Zusammenkünfte auf folgenden drei Elementen: Christen wollen ihren Gott und Vater anbeten (nach oben), sie wollen einander auferbauen durch die verständliche Weitergabe des Wortes Gottes (zur Seite) und sie wollen sich zurüsten lassen, um hinauszugehen und dieser sterbenden Welt das Evangelium zu bringen (nach außen). William MacDonald schreibt in seinem Kommentar zum Neuen Testament: "Die Gemeinden waren in erster Linie geistliche Häfen für Gläubige als Zentren zur Erreichung der Verlorenen. Die Gemeindeaktivitäten drehten sich um das Brechen des Brotes, die Anbetung, das Gebet, das Bibelstudium und die Gemeinschaftspflege."

...darum findet Evangelisation im Wesentlichen außerhalb der sonntäglichen Versammlung statt

Nach meiner Erkenntnis sind die Zusammenkünfte der Gemeinde keine Evangelisationsveranstaltungen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Wir sollten unbedingt evangelisieren, in persönlichen Bibelstudien, in evangelistischen Hauskreisen, in speziellen missionarischen Einsätzen, an "Offenen Abenden" und Fachvorträgen, auf Straßen und Plätzen, unter Randgruppen und in Gefängnissen...

Aber warum unbedingt in den Zusammenkünften, die Gott in seiner Weisheit für Christen vorgesehen hat? In unserem Land kann man weithin folgende parodoxe Situation beobachten: In den Kirchen sitzen überwiegend Ungläubige, die allerdings weithin als Christen angesprochen werden und denen quasi Heiligung gepredigt wird, und in den Gemeinden sitzen zu einem ganz großen Teil Gläubige - und die werden ständig evangelisiert. Das entspricht nicht dem biblischen Standard. Wenn Paulus in 1. Korinther 14,23-251. Korinther 14,23-25: Wenn nun die ganze Gemeinde am selben Ort zusammenkäme, und alle würden in Sprachen reden, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, daß ihr von Sinnen seid? Wenn aber alle weissagten, und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger herein, so würde er von allen überführt, von allen erforscht; und so würde das Verborgene seines Herzens offenbar, und so würde er auf sein Angesicht fallen und Gott anbeten und bekennen, daß Gott wahrhaftig in euch ist. von Unkundigen schreibt, die hereinkommen könnten, so verwendet er sprachlich die Möglichkeitsform. Es steht nicht da, dass Nichtchristen in die Versammlung der Gemeinde eingeladen oder gar ganze Versammlungen auf solche Besucher ausgerichtet werden sollen. Ich bin in großer Sorge, dass auf diese Weise "aus Gottes Heiligtum ein Vorhof" gemacht wird.

 

6. Biblische Gemeinde hat einen göttlichen Auftrag...

Jesus Christus gab den Auftrag, Menschen zu Jüngern zu machen und in seiner Lehre zu unterweisen Matthäus 28,18-19Matthäus 28,18-19: Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes . Darum glaube ich persönlich, dass in einer biblischen Gemeinde alle Bereiche auf Multiplikation ausgerichtet werden sollen. Die Zahl der Bekehrten soll multipliziert werden durch Evangelisation. Die Zahl der Jünger soll multipliziert werden durch Jüngerschulung. Die Zahl der Mitarbeiter soll multipliziert werden durch Schulung und Zurüstung der Mitarbeiter - sei es in der Kinderarbeit, Sonntagsschularbeit, Hauskreisarbeit, Seelsorgearbeit, oder sei es im Verkündigungs-dienst der Brüder. Und die Zahl der Leiter soll multipliziert werden durch das Heranbilden von neuen, bewährten Leitern.

Genau an dieser Stelle sehe ich eine große Schwachstelle in vielen Gemeinden. Zu wenige machen zu viel - und zu viele machen zu wenig! Das ist aber nicht biblisch. Paulus schreibt an Timotheus: "Was du (2) von mir (1) gehört hast, ... das vertraue treuen Menschen (3) an, die tüchtig sein werden, auch andere (4) zu lehren" 2. Timotheus 2,22. Timotheus 2,2: Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das vertraue treuen Menschen an, die fähig sein werden, auch andere zu lehren. . Nach diesem Grundsatz sollte jede biblisch ausgerichtete Gemeinde handeln.

...darum ist sie kein "individualistischer Wohlfühl-Club"

Jemand beschrieb die heutige Situation einmal folgendermaßen: "Wie viele Gemeinden gleichen heute eher einem Vergnügungsdampfer, der im sicheren Hafen vor sich hin dümpelt, auf dem die Gläubigen in der Sonne liegen und die Hauptamtlichen kühle Getränke servieren. Biblische Gemeinde ist aber ein Rettungskreuzer! Die Geretteten wollen aus Dankbarkeit ihrem Herrn dienen und die Verlorenen aus der eisigen See bergen." Gemeinden, in denen ein Großteil der gesunden Christen keine konkreten Aufgaben wahrnehmen, entsprechen nicht dem Konzept der Heiligen Schrift.

 

7. Biblische Gemeinde hat Familiencharakter...

Die Gemeinde Jesu wird im Neuen Testament u.a. als "Familie Gottes" bezeichnet Epheser 2,19Epheser 2,19: So seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge ohne Bürgerrecht und Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, . Warum ist es notwendig, sich einer solchen "geistlichen Familie" anzuschließen?

  • Wenn Christen im ersten Jahrhundert von einer Stadt in die andere zogen, schlossen sie sich umgehend einer dortigen Gemeinde an Römer 16,3-5Römer 16,3-5: Grüßt Priscilla und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Hals hingehalten haben, denen nicht allein ich dankbar bin, sondern auch alle Gemeinden der Heiden; grüßt auch die Gemeinde in ihrem Haus! Grüßt meinen geliebten Epänetus, der ein Erstling von Achaja für Christus ist. ; 2. Timotheus 4,192. Timotheus 4,19: Grüße Prisca und Aquila und das Haus des Onesiphorus. .
  • In der "Familie Gottes" werden die Gläubigen durch die Gemeinschaft mit anderen Christen gestärkt und können sich am Vorbild reifer Jünger Jesu orientieren. Sie erhalten Trost und Ermutigung in schweren Lebenslagen.
  • Christen beten füreinander und helfen sich gegenseitig in praktischen Dingen. In der Welt weht ein zunehmend rauherer Wind; biblische Gemeinden sind jedoch Oasen der Liebe, Wärme, Geborgenheit und Anteilnahme.
  • Die Gemeinde stellt als "Herde Gottes" 1. Petrus 5,21. Petrus 5,2: Hütet die Herde Gottes bei euch, indem ihr nicht gezwungen, sondern freiwillig Aufsicht übt, nicht nach schändlichem Gewinn strebend, sondern mit Hingabe, auch einen echten Schutzfaktor dar. "Solochristen" fallen leichter unter die Wölfe Apostelgeschichte 20,29Apostelgeschichte 20,29: Denn das weiß ich, daß nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden, die die Herde nicht schonen; und in die Dornen.
...darum keine Doppelmitgliedschaft

Nach dem Neuen Testament ist es undenkbar, dass jemand Christ ist, aber zu keiner örtlich versammelten Gemeinde gehört. Menschen brauchen Christus, um errettet zu werden - Christen brauchen eine biblische Gemeinde, um im Glauben zu wachsen und fest zu werden. In der Apostelgeschichte lesen wir mehrmals: "...sie wurden hinzugetan zu der Gemeinde..." Apostelgeschichte 2,41Apostelgeschichte 2,41: Diejenigen, die nun bereitwillig sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und es wurden an jenem Tag etwa 3000 Seelen hinzugetan. ; Apostelgeschichte 2,47Apostelgeschichte 2,47: sie lobten Gott und waren angesehen bei dem ganzen Volk. Der Herr aber tat täglich die zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. ; Apostelgeschichte 5,14Apostelgeschichte 5,14: und immer mehr wurden hinzugetan, die an den Herrn glaubten, eine Menge von Männern und Frauen, .

Die Heilige Schrift spricht sich grundsätzlich gegen eine Mitgliedschaft in zwei verschiedenen Gemeinden aus. So wie man nur mit einem Partner verheiratet sein kann, so kann man auch nur zu einer Gemeinde gehören. Wo Gläubige eine Doppelmitgliedschaft praktizieren, sind sie meistens geteilten Herzens und lassen die Hingabe an ihre "geistliche Familie" vermissen.

Welcher Gemeinde soll man sich anschließen?

Es wäre sinnlos, die "vollkommene Gemeinde" suchen zu wollen. Aber es gibt wichtige Kriterien, auf die Sie achten sollten:

  • Wird das Wort Gottes bibeltreu verkündigt und gelebt?
  • Besitzt die Gemeinde Ziele? Wird dem Gebet ein großer Stellenwert eingeräumt?
  • Hat jeder Christ die Möglichkeit, aktiv in der Gemeinde mitzuarbeiten?
  • Werden Kinder und Jugendliche ihrem Alter entsprechend unterwiesen?
  • Gibt es eine Sicht für Evangelisation und Weltmission?

Liebe Leserin, lieber Leser, darf ich Sie zum Schluss persönlich ansprechen? Ich weiß nicht, wie Sie zum Thema "Gemeinde" stehen - Ist Gemeinde "Wunschtraum oder Wirklichkeit" für Sie? Es ist mein aufrichtiges Anliegen, dass Gott Ihnen die Augen öffnet für die Bedeutung und Herrlichkeit der Gemeinde Jesu Christi. Lassen Sie sich zum verbindlichen Anschluss an eine biblische Versammlung anspornen! Gott segnet jeden Gehorsamsschritt. Er wird Ihnen den richtigen Platz zeigen. Mein Gebet ist, dass er mir und Ihnen, lieber Leser, ein brennendes Herz für Christus und seine Gemeinde schenkt.

"Dem aber, der über alles hinaus zu tun vermag, über die Maßen mehr, als wir erbitten oder erdenken, gemäß der Kraft, die in uns wirkt, ihm sei die Herrlichkeit in der Gemeinde und in Christus Jesus auf alle Geschlechter hin in alle Ewigkeit! Amen" Epheser 3,20-21Epheser 3,20-21: Dem aber, der weit über die Maßen mehr zu tun vermag, als wir bitten oder verstehen, gemäß der Kraft, die in uns wirkt, ihm sei die Ehre in der Gemeinde in Christus Jesus, auf alle Geschlechter der Ewigkeit der Ewigkeiten! Amen. .

Quelle: Wilfried Plock