Der Entschluss, diese Schrift zu verfassen, reifte im Mai 1995, als ich vor etwa siebzig Theologiestudenten einer renommierten deutschen Universität zum obigen Thema sprechen konnte. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion gaben außer mir drei weitere Referenten ihre Gedanken zu dieser Problematik weiter.

Der erste Redner plädierte für den grundsätzlichen Verbleib in der Kirche. Der nächste befürwortete den Austritt, wenn ein "nichtgläubiger" Pastor im Amt ist. Der dritte sprach sich erst dann für das Verlassen der Kirche aus, wenn sie offiziell homosexuelle Geistliche einsetzt.

Ihre Argumentation war meines Erachtens zum größten Teil nicht mit der Schrift begründet, sondern pragmatisch. Deswegen versuchte ich mit allem Ernst deutlich zu machen, dass es hier nicht um Pragmatismus oder Zweckmäßigkeit geht.

Unsere Haltung zur Bibel ist maßgebend. Wollen wir der Heiligen Schrift nur im Bereich der individuellen Frömmigkeit, sprich Bekehrung und persönlichen Heiligung, gehorchen? Gibt uns das Wort Gottes nicht auch konkrete Anweisungen über die Struktur einer  biblischen Gemeinde ?

Ich weiß sehr wohl, dass es sich bei der Frage des Kirchenaustrittes um ein heikles Thema handelt, bei dem auch Emotionen geweckt werden können. Ich möchte niemanden persönlich verletzen. Mein Anliegen ist es, die "Wahrheit in Liebe zu bekennen" Epheser 4,15 und mit biblischen Aussagen Licht in das Wirrwarr der Meinungen zu bringen. Gehen wir also zuerst zurück zur Schrift!

Kirchenaustritt

Das Neue Testament spricht 113 mal von der "Ekklesia" (wörtlich: die Herausgerufenheit).
Davon ist einige Male die Gesamtgemeinde aller Gläubigen aller Orte während des gesamten gegenwärtigen Zeitalters gemeint z. B. in Matthäus 16,18 . Sie ist identisch mit dem Leib Christi. Nur wiedergeborene, mit dem Heiligen Geist versiegelte Menschen gehören dazu. An den übrigen 95 Stellen geht es um die örtliche Versammlung der Jünger Jesu.
In der Apostelgeschichte lesen wir von der schlichten Zusammenkunft der Gläubigen in Selbstverleugnung und Leidensbereitschaft - ohne jede Bindung an den Staat.
Sie betrachteten das Wort, brachen das Brot, beteten zusammen und hatten verbindliche, konkrete Gemeinschaft. Die Versammlungen wurden von Ältesten geleitet. Hirten, Lehrer und Evangelisten rüsteten die Heiligen zum Dienst zu. Die ersten Christen verwirklichten ein allgemeines Priestertum. Ein Heiligtum für Priester und einen Vorhof für das Volk gab es nicht.
Unter ihnen herrschte der Geist der Liebe, aber auch der Geist der Zucht. Sünde kam vor, wurde aber in der Gemeinde nicht geduldet. Von den Gläubigen ging eine große missionarische Dynamik aus 2. Korinther 6,14 ; Apostelgeschichte 2,42 ; Apostelgeschichte 14,23 ; 1. Timotheus 3,1-13 ; Matthäus 23,8 .
Die Gemeinden waren nur Christus als ihrem Haupt verantwortlich. Es gab keinen zentralistischen Bund oder Verband. Die Gemeinden blieben organisatorisch, finanziell und geistlich selbständig, pflegten aber einen gewissen Austausch untereinander z. B. 1. Petrus 2,9 .
Wir sehen, dass das Neue Testament eine klar umrissene, verbindliche Gemeindelehre entfaltet. Deswegen mahnte der Apostel Paulus die Korinther hinsichtlich des Gemeindebaus mit ernsten Worten:

1. Korintherbrief 3,10-13:
"Gemäß der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer aber baut darauf. Jeder aber gebe acht, wie er darauf aufbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf diesen Grund Gold, Silber, kostbare Steine, Holz, Heu, Stroh baut, so wird das Werk eines jeden offenbar werden; der Tag wird es zeigen, weil es durchs Feuer geoffenbart wird. Und welcher Art das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben."

Wir wissen alle, dass die christliche Versammlung bald eine andere Form bekam. Der Feind war nicht untätig. Jesus Christus hatte angekündigt, dass Satan Unkraut unter den Weizen säen würde. Schon im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden Ansätze von bischöflichen (episkopalen) Strukturen. An die Stelle der priesterlich tätigen Gemeinde trat sehr schnell eine gewisse Priesterkaste, die das Kirchenvolk regierte.
Im 4. Jahrhundert n. Chr. verwandelte sich die verfolgte Gemeinde in eine verfolgende Kirche. Der römische Kaiser Konstantin erließ 313 n. Chr. ein Toleranzedikt, das uneingeschränkte Religionsfreiheit garantierte.
Unter Kaiser Julian gewann das Christentum endgültig die Oberhand. Danach kippte die Sache in das andere Extrem. Der Kirchengeschichtler Heussi schreibt: "Aber die nächsten Kaiser, Theodosius d. Gr. und Gratianus, machten seit 380 der Religionsfreiheit ein Ende, erhoben die katholische Kirche zur alleinberechtigten Staatskirche und begannen von neuem den Kampf gegen die heidnische Religion..."
In der Zeit der Verfolgung war die christliche Gemeinde lebendig und frisch. Als aber die Christen offiziell anerkannt wurden, vermischte sich die Kirche bald wieder mit dem Heidentum. Das Christentum degenerierte von der Jüngergemeinde zur Jedermann-Kirche.
Doch zu allen Zeiten gab es eine gläubige Minderheit, die wie die ersten Christen ohne Anerkennung der offiziellen Gesellschaft nach schriftgemässen Prinzipien zusammenkamen. "Immer hat es echte Gemeinden gegeben, die sich an die Schrift als Richtschnur für Glauben und Lehre, als Leitstern für den persönlichen Wandel wie für die gemeindliche Ordnung hielten."
Zwölf Jahrhunderte später ließ Gott das echte Evangelium wieder aufstrahlen. Nach der Kirchenspaltung stand Martin Luther vor der Frage: Glaubensgemeinde oder Landeskirche? Er entschied sich wegen angeblich zu wenig Mitarbeitern für die letztere.
Die evangelischen Landesfürsten wurden zu "Not Bischöfen". Ihre Untertanen mussten den evangelischen Glauben annehmen oder auswandern.
Wiederum entstand die unselige Verquickung von Kirche und Staat. Das hatte verheerende Folgen.
Broadbent schreibt: "Eine solche Staatskirche ist sehr weitherzig. Sie kann sehr verschiedene Ansichten in sich vereinigen. Sie kann Ungläubige aufnehmen, viel Böses gutheißen und sogar ihren Geistlichen gestatten, ihren Unglauben im Blick auf die Schrift offen aus zu sprechen..."

Jemand brachte die aktuelle geistliche Lage unseres Landes auf folgenden Nenner: "Die Not unseres Volkes ist die Not seiner Pfarrer. Die Not seiner Pfarrer aber ist die Not ihrer Ausbildung an den Universitäten."
An den theologischen Fakultäten herrscht fast durchgängig das Monopol der sogenannten historisch kritischen Methode der Schriftauslegung.
Es ist erschreckend, dass es Theologieprofessoren gibt, welche die Glaubwürdigkeit und Wunder der Bibel leugnen. Aber es ist kaum zu fassen, dass es Kirchen gibt, die bei diesen Leuten ihren Nachwuchs ausbilden lassen.
Auch die römisch-katholische Theologie hat sich in diesem Jahrhundert leider nicht wesentlich verändert. Am 13.10.1962, zu Beginn des II. Vatikanischen Konzils, mussten alle Konzilsväter folgenden Glaubensschwur ablegen:
"Ich bekenne, dass sich in der Messe ein wirkliches Sühnopfer für die Lebendigen und die Toten vollzieht... Ich halte daran fest, dass es ein Fegefeuer gibt... Ich glaube auch fest, dass man die Heiligen, die mit Christus regieren, verehren und anrufen muss... Ich anerkenne die heilige, römisch-katholische, apostolische Kirche als Mutter und Lehrerin aller Kirchen... Desgleichen verdamme, verwerfe, und erkläre ich alles für verflucht, was dazu in Widerspruch steht, alle falschen Lehren, welche die Kirche verdammt, verworfen und für verflucht erklärt hat..."

Dr. Lothar Gassmann zitiert 38 weit verbreitete Missstände in der evangelischen Kirche: Leugnung der Jungfrauengeburt und der leiblichen Auferstehung Jesu, feministische Umdeutung der Bibel, synkretistische Veranstaltungen mit Vertretern anderer Religionen, etc. Pluralismus und falsche Toleranz regieren das Feld. In beiden Kirchen bestimmt die Universitätstheologie stark das Lehrgut der Priester, Pfarrer und Religionslehrer. Diese "christlichen" Führer prägen wiederum in einem bestimmten Masse unser Volk.

H. Venske zieht im Blick auf eine als christlich geltende Gesellschaft ein düsteres Fazit: "Christliche Illusionen von der Wiege bis zum Grabe: Taufen, die keine Taufen im biblischen Sinne sind; Konfirmationen, die nichts befestigen; Einsegnungen, die Aussegnungen sind; kirchliche Trauungen, die christliche Ehen vortäuschen; kirchliche Bestattungen, welche die ganze Verlogenheit unseres christlichen Lebens nur mühsam verdecken."

Die beiden großen Kirchen haben ein territorialsakramentales Gemeindeverständnis. Alle Getauften, die in einem bestimmten, geographischen Gebiet wohnen, gehören zu der römisch-katholischen oder evangelischen Kirchengemeinde, sofern sie nicht aus ihrer Denomination ausgetreten sind. Die persönliche Glaubenseinstellung spielt hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft keine Rolle.
Die Heilige Schrift hingegen lehrt ein personales Gemeindeverständnis. Jeder, der durch Gottes Wort und Geist wiedergeboren ist, gehört zur weltweiten Gemeinde, zum Leib Jesu Christi, und soll sich an seinem Wohnort oder in seiner Umgebung einer in ihrer Grundhaltung bibeltreuen Gemeinde anschließen.
Gemäß der oben angeführten Tatsache kann es sein, dass eine Kirchengemeinde aus hundert Prozent, Getauften besteht, jedoch achtzig Prozent oder mehr im biblischen Sinn nicht gläubig sind. Die wenigen Wiedergeborenen bilden dann mit ihnen zusammen eine "Gemeinde". Das Neue Testament kennt aber nur errettete Gemeindeglieder. Es war nie Gottes Wille, dass Gläubige und Ungläubige "zusammen gejocht" werden. Der Apostel Paulus schrieb:

2. Korinther 6,14-7,1:
"Zieht nicht in einem fremden Joch mit Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu schaffen? Und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial überein? Oder was hat der Gläubige gemeinsam mit dem Ungläubigen? Wie stimmt der Tempel Gottes mit Götzenbildern überein? Denn ihr seid ein Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: »Ich will in ihnen wohnen und unter ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein«. Darum geht hinaus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an! Und ich will euch aufnehmen, und ich will euch ein Vater sein, und ihr sollt mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige. Weil wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so wollen wir uns reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes zur Vollendung der Heiligkeit in Gottesfurcht!"

Dieser Abschnitt bezieht sich im Kontext der Korintherbriefe zuerst auf religiöse Vermischung! Andererseits kann es vorkommen, dass der Ortspfarrer und / oder seine Kirchenältesten nicht wiedergeboren sind. Das bedeutet in der Praxis, dass sich gläubige Gemeindeglieder einer ungläubigen Gemeindeleitung unterordnen müssen. Eine solche Konstellation findet niemals Gottes Wohlgefallen.
Noch viele andere biblische Prinzipien lassen sich in der Kirche nur ungenügend oder gar nicht verwirklichen. Zum Beispiel: Glaubenstaufe, Abendmahl nur für Gläubige, Berufung von wirklich qualifizierten Ältesten, Priestertum aller Kinder Gottes, Gemeindezucht, etc.
Fazit: Gott wollte zu keiner Zeit die Verbindung von Staat und Kirche, von Politik und Religion, und die daraus resultierenden "Kirchengemeinden" Die Geschichte als Ganzes kann natürlich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber einzelne Christen konnten und können zu allen Zeiten ihre persönlichen Konsequenzen ziehen.

  • Ja, aber Gott hat doch auch in den Kirchen Segen geschenkt!

    Zweifellos hat der souveräne Herr trotz falscher Strukturen auch innerhalb der verfassten Kirchen einen gewissen Segen geschenkt. Dieses Argument rechtfertigt nicht das Verbleiben in der Kirche.
    Sichtbarer Erfolg ist kein geeigneter Gradmesser einer gottgemäßen Beurteilung. Als Mose den Felsen schlug, war der sichtbare Erfolg da Apostelgeschichte 1,8 . Das Wasser floss in Strömen. Aber in Gottes Augen war die Sache Ungehorsam, und Mose durfte deswegen nicht in das verheißene Land!
    Das Wort Gottes ist der Maßstab - nicht ein relativer, sichtbarer Segen. Ich bin davon überzeugt, dass der Herr durch biblisch gebaute Gemeinden weit mehr verherrlicht wird als durch das redliche Mühen von Gläubigen in falschen religiösen Systemen.

  • Ja, aber die Volkskirchen bieten doch ein einzigartiges missionarisches Betätigungsfeld!

    Die Behauptung, volkskirchliche Strukturen seien missionarischen Aktivitäten dienlicher als freie Gemeinden, entspricht nur bedingt der Wahrheit. Gerade in den Städten haben viele Zeitgenossen den Großkirchen enttäuscht den Rücken zugekehrt und sind u. U. eher von außerkirchlichen Gruppen zu erreichen. In bibeltreuer Gemeindearbeit können heute alle Bevölkerungsgruppen und gesellschaftlichen Schichten mit dem Evangelium erreicht werden. Das Wirkungsfeld mag kleiner sein - vielleicht ist aber der Wirkungsgrad dennoch höher!?
  • Ja, aber man kann doch innerhalb der Kirchen "Gemeinschaften" bilden!

    Diesen Ansatz kenne ich persönlich sehr gut. Mein Großvater gründete vor gut 80 Jahren eine solche "Landeskirchliche Gemeinschaft", und auch in meinem Elternhaus versammelten sich viele Jahre "Gemeinschaft und Jugendbund" (EC). Im Blick auf den Verbleib in der Kirche beruft man sich auf die Gnadauer Väter, die 1888 den Entschluss fassten, die wahren Gläubigen innerhalb der Kirche zu sammeln.
    "Es besteht kein Zweifel, dass die so genannte Gemeinschaftsbewegung vielen Menschen zu einem lebendigen Glauben verhalf, und die Neubekehrten durch Bibel- und Gebetsstunden weiterführte. Das muss in jedem Fall festgehalten werden." Doch ob sich die Gründer des Gnadauer Verbandes heute noch genauso entscheiden würden? Jemand formulierte es so: "Wenn wir das tun, was unsere Väter taten, - tun wir eben nicht das, was unsere Väter taten." Christoph Morgner, der gegenwärtige Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, sagte 1993 bei einem Mitarbeiterkongress in Gunzenhausen: "Das Leiden der Pietisten an der Kirche ist erheblich." Warum fordern er und andere Leiter trotzdem immer wieder die unbedingte Treue zur Kirche? Wem müssen wir treu sein: der Kirche oder dem Herrn? Wenn wir dem Herrn und unserer Kirche nicht gleichzeitig treu sein können, dann sollten wir Konsequenzen ziehen!
  • Ja, aber Kirchenaustritte fördern doch nur die Zersplitterung des Leibes Jesu!

    Zunächst muss hier das Einheitsverständnis der christlichen Kirche hinterfragt werden. Spricht Jesus Christus in Apostelgeschichte 6,1-7 von organisatorischer oder von geistlicher Einheit? Organisatorische Einheit ist der Gemeinde Jesu hier auf Erden nicht verheißen.
    Der englische Christ Charles Haddon Spurgeon lehrte: "Nichts hat die Einheit der wahren Gläubigen so stark gefördert wie der Bruch mit den falschen. Trennung von solchen, die fundamentale Irrtümer gewähren lassen oder das Brot des Lebens den verderbenden Seelen vorenthalten, ist keine Spaltung, sondern nur das, was die Wahrheit, das Gewissen und Gott von allen erwarten, die treu erfunden werden wollen".
    Es liegt in der Natur des Evangeliums, dass es auf der einen Seite vereint und auf der anderen Seite spaltet 1. Timotheus 5,8-10 .
  • Ja, aber Gott will doch nicht perfekte Strukturen, sondern brennende Menschen!

    Es geht nicht um Perfektionismus, sondern um den schlichten Gehorsam gegen den Willen des Herrn. Gott hat im Neuen Testament deutlich offenbart, wie er sich Gemeinde vorstellt. Das hat nichts mit Formalismus zu tun. Natürlich ist eine Form ohne Leben tot, aber auch Leben ohne Form ist gefährdet. Biblische Ausgewogenheit ist wichtig. Zuerst schafft Gott durch seinen Geist das Leben, und dann will er alles geistliche Leben in biblische Strukturen einmünden lassen, ohne die Wachstum und Reife eines Christen schwerlich erreicht werden können.
  • Ja, aber Jesus blieb doch auch in seiner "Kirche"!

    Wolfram Kopfermann entkräftet diesen Einwand wie folgt: ?Jesu heilsgeschichtlich unvergleichliche Situation vor seiner Kreuzigung muss bedacht werden. Er war der Messias des Bundesvolkes. Für ihn war dies nicht so seine Kirche, wie es für einen Christen in England vielleicht die englische Staatskirche ist, für ihn war dies das Gottesvolk Israel. Das ist ein ganz tiefer, im Kern der Heilsgeschichte Gottes begründeter Zusammenhang. Aus diesem Zusammenhang auszutreten, hätte Jesus nicht in eine andere Kirche gebracht, sondern jenseits der Heilsgeschichte gestellt. Das heißt: Jesu Verbundenheit mit der jüdischen Synagoge ist gerade kein zeitloses Muster für die Christen aller Jahrhunderte. "
  • Ja, aber freie Gemeinden sind doch auch nicht besser!

    In diesem Argument steckt nicht mehr Logik als in der Begründung eines Mannes, sich kein neues Auto zu kaufen, weil alle neuen Autos die seltsame Tendenz hätten, alt zu werden. "Abgesehen davon geht es nicht darum, ob etwas besser ist, sondern ob es schriftgemäß ist. Die ganze Bibel zeigt, dass die Kirche, auch in ihren besten Zeiten, eine dem Wesen der Gemeinde Jesu unangemessene Gestalt hatte, weil sie vom Ansatz her Gläubige und Ungläubige vermischt. Ernst Maier bemerkt dazu treffend: "Es ist ein großer Unterschied, ob einige wenige Tote unter vielen Lebendigen sind, oder ob einige Lebendige unter vielen Toten sind".
    Ideale Gemeinden gibt es auf dieser Erde nicht, weil sie alle außerhalb des Himmels gebaut werden. Gewisse Zugeständnisse werden überall nötig sein. Aber es gibt christliche Versammlungen, die an der Autorität und Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift für Lehre und Leben festhalten. Dort sollen sich suchende Gläubige anschließen, selbst wenn die Gemeinde nicht in der unmittelbaren Nähe zusammenkommt.
  • Ja, aber wenn ich austrete, könnte ich hochmütig werden:

    Prälat Oetinger soll dem jungen Grafen Zinzendorf mit folgenden Worten vom Verlassen der Kirche abgeraten haben: "Wenn du austrittst, wirst du hochmütig!?.
    Es sind sicherlich schon manche lauthals aus Babel hinausgegangen und am Ende kleinlaut in Ninive angekommen. Die innere Haltung ist entscheidend. Wer austritt, darf es nicht stolz und überheblich tun. An den geistlichen Nöten leidend soll er die Kirche verlassen und für das empfangene Gute dankbar sein. Auf keinen Fall darf er einen anderen Jünger Jesu verachten oder ablehnen, weil jener seinen Platz (noch) in einer Kirche sieht. Die Liebe zum Bruder muss über aller unterschiedlichen Erkenntnis stehen Matthäus 18,15-20 .

    Gewiss können noch weitere Einwände und Bedenken gegen den Kirchenaustritt vorgebracht werden: "Die Familie ist vielleicht seit Generationen mit dieser Gemeinde verbunden. Die besten Freunde sind möglicherweise hier zu finden. Die jungen Leute wären ohne Betreuung, wenn man als Mitarbeiter aussteigen würde. Dem einzigen gläubigen Pfarrer in der Gegend muss man doch noch den Rücken stärken. Es ist verantwortungslos, das sinkende Schiff zu verlassen. Man muss den Zerfall doch aufhalten und sich für Verbesserung der Zustände einsetzen.... "

In der Schrift werden treue Christen nicht ermutigt, in unbiblischen Systemen auszuharren. Sie werden vielmehr aufgefordert, solche zu verlassen.

Das Wort Gottes lehrt die Trennung von falscher Lehre 1. Korinther 5,1-13 , vom Namenschristentum 2. Timotheus 3,1-5 und von falschen religiösen Systemen 1. Korinther 11,1-16 ; 1. Korinther 12,1-31 . "Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass Gott nicht durch 'Reformation der Abgefallenen' wirkt, sondern durch die Absonderung der Treuen."

Die biblische Wahrheit lautet also: "Geht aus ihrer Mitte hinaus!" Das ist ein deutliches Gebot in Gottes Wort. Um die Folgen wird sich Gott selbst kümmern. Ich habe nur gehorsam zu sein. Gott segnet uns, wenn wir ihm nach seinen Prinzipien dienen und nicht menschlichen, scheinbar barmherzigen Argumenten folgen.

Was hinderte die gläubig gewordenen Obersten (der Juden) zur Zeit Jesu an der Absonderung? "...wegen der Pharisäer bekannten die Obersten Jesus nicht, damit sie nicht aus der Synagoge ausgeschlossen würden, denn sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott" 1. Korinther 13,1-13 . Absonderung kann Schmach und Ehrverlust mit sich bringen. Manche Christen kostete der Kirchenaustritt sogar das Leben. Wie wird der lebendige Gott mehr verherrlicht: auf einem Weg voller unbiblischer Kompromisse oder durch ein hingegebenes Leben in Treue und schlichtem Gehorsam?

Liebe Leserin, lieber Leser, darf ich Dich zum Schluss ganz persönlich ansprechen? Du verharrst aus irgendwelchen Gründen noch in der Kirche, und sei es "nur" auf dem Papier. Was gewinnst Du durch das Verbleiben in der Kirche? Vielleicht bewahrst Du Deine Ehre vor der Welt. Was aber gibst Du auf, wenn Du zu einem unbiblischen, religiösem System gehörst?

Ich fürchte, Du verlierst ein gewisses Maß der Gebräuchlichkeit für den Herrn. Du opferst einen Teil der Glückseligkeit eines christusgemäßen Wandels. Und ganz gewiss wird es Deine Glaubwürdigkeit nicht fördern. Inkonsequenz schadet der Sache des Herrn! Noch einmal zitiere ich Spurgeon:

"Es ist die eindeutige Pflicht eines ehrlichen Christen, den Kreis derer zu verlassen, die vorgeben, Christen zu sein, aber das Wort Gottes verletzen und die Grundlagen des Evangeliums verwerfen. Sich mit dem Irrtum einlassen, macht es dem besten Menschen unmöglich, gegen ihn vorzugehen."

Darum: "Lasst uns zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen, denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir" Hebräerbrief 13,13-14 .

Quelle: Wilfried Plock