Judentum
1. Geschichte - im Licht des Glaubens gedeutet
1.1. Von Abraham bis Mose
Das jüdische Volk und seine Religion können auf eine mehrtausendjährige Geschichte zurückblicken. Um 1800 v. Chr. - so erzählt die Bibel - folgt ein bestimmter Abraham aus Ur in Chaldäa (heute: Irak) voll Vertrauen dem Ruf seines Gottes und bricht mit seiner Frau Sara und einigen Verwandten in das Land Kanaan (heute: Palästina/Israel) auf Hebräerbrief 12,4-11
Wider alle menschliche Hoffnung erhält das Ehepaar einen Sohn, den es Isaak - "Er lacht" - nennt. Der Segen Abrahams lebt weiter in Isaak, in dessen Sohn Jakob, der auch Israel genannt wird, und in dessen zwölf Söhnen und ihren Familien.
Eine Hungersnot zwingt die Kinder Israels, in das fruchtbare Ägypten auszuwandern, wo sie zu einem Volk, Hebräer genannt, heranwachsen. Nach Jahrhunderten des Friedens kommt es zur Unterdrückung, ja zur Versklavung durch die Ägypter. Die Bibel erzählt, dass in dieser Krisensituation Gott erneut eingreift und Mose zum Befreier seines Volkes beruft, indem er ihn aus einem brennenden Dornbusch anspricht:
2. Mose 3,7-10:
"Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten sehr wohl gesehen, und ich habe ihr Geschrei gehört über die, welche sie antreiben; ja, ich kenne ihre Schmerzen. Und ich bin herabgekommen, um sie zu erretten aus der Hand der Ägypter und sie aus diesem Land zu führen in ein gutes und weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließt, an den Ort der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Pheresiter, Hewiter und Jebusiter. Und nun siehe, das Geschrei der Kinder Israels ist vor mich gekommen, und ich habe auch ihre Bedrängnis gesehen, wie die Ägypter sie bedrücken. So geh nun hin! Denn ich will dich zu dem Pharao senden, damit du mein Volk, die Kinder Israels, aus Ägypten führst!"
Auf die Frage des Mose, wer der Geheimnisvolle sei, der ihn sende, bekommt er zur Antwort:
Ich bin der 'Ich-bin-da' ... JHWH (Jahwe), der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs ... Das ist mein Name für immer, und so wird man mich nennen in allen Generationen. Matthäus 15,1-39
Mose führt das Volk, trotz langer Unnachgiebigkeit der Ägypter, schließlich in die Freiheit. Viele Legenden umranken diese Befreiung aus dem "Sklavenhaus Ägypten", die historisch wohl im 13. Jahrhundert v. Chr. unter Pharao Ramses II. oder seinem Nachfolger stattgefunden hat. Mose ist für die Juden auch der Überbringer der Tora, des göttlichen Gesetzes, das Gott den Israeliten nach der Verkündigung der Zehn Gebote am Berg Sinai gegeben hat, um das Leben des Volkes zu regeln. Israel soll besonderes Eigentum Gottes, eben "sein Volk" sein, erwählt aus reiner Liebe.
1.2. Im Lande Kanaan
Das Land Kanaan wird von den zwölf Stämmen Israels in Besitz genommen, David gründet um 1000 v. Chr. das Königreich Israel, sein Sohn Salomo baut den ersten Tempel in Jerusalem. Nach Salomo zerfällt das Reich in das Nordreich Israel und das Südreich Juda. In beiden Reichen treten Propheten auf und ermahnen, oft vergeblich, König und Volk zur Treue zu JHWH-Gott und zu sozialer Gerechtigkeit. Das Nordreich wird 722 vor Christus von den Assyrern zerstört, die zehn dort ansässigen Stämme verschwinden aus dem Blick der Geschichte. Das Südreich Juda wird 586 vor Christus ein Opfer der Babylonier, der Tempel in Jerusalem zerstört, Teile des Volkes nach Babylonien ins Exil deportiert. Von Propheten und vielen anderen wird die Katastrophe als Folge der Treulosigkeit gegenüber Gott (Kult fremder Götter, Missachtung der Gebote Gottes) gedeutet.
1.3. Vom Exil bis zur Römerzeit
Diese Katastrophe ist aber Beginn einer religiösen Erneuerung. Da es im Exil keinen eigenen König, keinen Tempel, keine Schlachtopfer, keinen Priesterdienst mehr gibt, werden andere Dinge wichtig: das Königtum JHWHs, der niemand anderer ist, als der eine und einzige Gott, die Gebote Gottes, die Speisevorschriften, die Beschneidung und der Sabbat als Zeichen des bleibenden Bundes. Die Juden, so nennt man nun den verbliebenen Rest des Volkes Israel, treffen sich in den Synagogen zum Wortgottesdienst und geben vielen religiösen Traditionen ihres Volkes eine schriftliche Form. Das Judentum wird zu einer Religion der Synagoge und der Heiligen Schrift. Das ändert sich auch nicht, als unter dem Perserkönig Kyrus ab 538 v. Chr. Juden die Erlaubnis erhalten, in das Land der Väter zurückzukehren und den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Die Treue zu Gott, dem Einen und Einzigen, den man nicht bildlich darstellen darf und dessen Namen man aus Ehrfurcht nicht mehr ausspricht, zeigt sich in der möglichst genauen Befolgung der Tora. Als der Hellenismus alle Juden zu heidnischer Lebensart zwingen will, sterben viele als Märtyrer. Trost spendet der Glaube, dass Gott die Toten wieder auferwecken wird zu ewigem Leben. Viele sehnen auch ein rasches Ende dieser ungerechten Welt herbei (Apokalyptik). Der nicht besonders beliebte Herodes kann mit Hilfe Roms noch einmal für kurze Zeit König im jüdischen Land sein und erweitert den Tempel zu einem prachtvollen Bau. Aber schon bald ist der römische Kaiser alleiniger Herr über Jerusalem. Die Sehnsucht nach einem Messias, der Israel befreit und eine neue Zeit des Heiles heraufführen soll, wächst und ist zu jener Zeit besonders groß, als ein gewisser Zimmermann Jeschua (Jesus) von Nazaret sein "Evangelium vom Reich Gottes" verkündet. Eine Schar von Juden und Jüdinnen schließt sich ihm an, bekennt ihn, trotz seiner schmachvollen Hinrichtung am Kreuz durch die Römer, als Messias (Christus) und bildet so den Grundstock für die zweite "abrahamitische" Weltreligion, das Christentum.
1.4. Zerstörung des Herodianischen Tempels und rabbinisches Judentum
40 Jahre nach dem Tod Jesu, im Jahre 70 n. Chr., trifft die Juden eine neue Katastrophe. Die Römer zerstören Jerusalem und den Tempel, der seither nicht wieder aufgebaut worden ist. Der Siebenarmige Leuchter (die Menora), heute Symbol des Staates Israel, wurde damals aus dem Tempel geraubt (dokumentiert durch Relief am Titusbogen in Rom). Der militärische Widerstand der Juden wird im 2. Jh. ganz gebrochen. Juden dürfen Jerusalem nicht mehr betreten. Sie haben kein eigenes Land mehr. Umso stärker klammern sie sich an die um 100 n. Chr. kanonisierte hebräische Bibel (bestehend aus Tora, Propheten und Schriften) - von Christen Altes Tetsament genannt - und an die Auslegung der Tora durch Rabbiner (Schriftgelehrte, besonders aus der Bewegung der Pharisäer).
Für das Judentum beginnt die Rabbinische Zeit. Kostbarste schriftliche Frucht rabbinischer Weisheit und Diskussion ist der Talmud (Jerusalemer und Babylonischer Talmud), bestehend aus Mischna (Sammlung der mündlichen Lehre) und deren Kommentar, der Gemarra. Er ist die Grundlage für das, was wir bis heute unter jüdischer Religion verstehen. Vom Siege des Christentums, dem es nach 300 Jahren gelang das Römerreich unter das Zeichen des Kreuzes zu stellen, profitieren die Juden nicht. Im Gegenteil, Vorurteile gegen jüdische Lebensweise und Beschuldigungen, die Hinrichtung Jesu erwirkt zu haben, führen zu gesellschaftlicher Ächtung, bald auch zu Zwangstaufen, grausamen Verfolgungen und Vertreibungen. Im später entstandenen Islam geht es den Juden meist besser als unter der Herrschaft jener christlichen Fürsten, die zwar den Juden Jesus als ihren "Herrn und Gott" verehren, aber den Mitgliedern seines Volkes die christliche Liebe verweigern. Dass dieser Antijudaismus auch eine Quelle des neuheidnischen und mörderischen NS-Rassenwahns geworden ist, gehört zu den großen Skandalen des christlichen Abendlandes. Die Schoa, die gezielte Vernichtung von 6 Mio. Menschen, ist die größte Katastrophe des jüdischen Volkes, wohl auch die größte Anfechtung für seinen Glauben an einen guten und treuen Gott. Dass Juden und Jüdinnen dennoch bis heute Gott die Treue halten, ist ein ungemein starkes Zeugnis des Glaubens, auch für Christen. Es ist bitter, dass der 1948 gegründete Staat Israel nicht zum Friedensort für das jüdische Volk geworden ist, sondern neues Unrecht, nämlich den arabischen Palästinensern gegenüber, produziert und so Zündstoff für viele neue Konflikte ist. Eine tragische Situation, aus der nur Gott einen Ausweg kennt.
"Erbittet für Jerusalem Frieden! Wer dich liebt, (Jerusalem) sei in dir geborgen. Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit." Matthäus 23,1-39
2. Was glauben Juden?
Es gibt im Judentum keine Instanz, die Dogmen verkünden könnte. Die praktische Erfüllung der Gebote (mizwot) war ihm immer viel wichtiger als die Formulierung der Glaubensinhalte. Der zentrale Satz des Judentums - Glaubensbekenntnis und Kerngebet in einem! - ist das aus der Bibel (Deuteronomium 6) zitierte "Sch`ma Jisrael". Es wird in den täglichen Gebeten, beim Gottesdienst in der Synagoge und auch in der Todesstunde gesprochen:
"Sch-ma Jis-rael: Adonaj Elohejnu, Adonaj Echad!"
"Höre Israel: Der EWIGE (JHWH) ist unser Gott, der EWIGE (JHWH) ist der Einzige!"
Wie wichtig diese Worte sind, lehrt die Bibel selbst Markus 7,1-37 .
Die Mesusa (Kapsel mit dem Sch`ma) am Türstock und die Tefillin (Gebetsriemen mit Sch`ma-Kapsel) an Arm und Stirn des Betenden zeigen, wie wortwörtlich orthodoxe Juden diese Sätze nehmen.
Der berühmte jüdische Gelehrte Rabbi Mosche Ben Maiman (Maimonides, RaMBaM; 1135 - 1204) hat als Entfaltung des Sch`ma "13 Grundsätze" (schloscha-asar ikarim) des Glaubens formuliert, die bis heute für orthodoxe Juden maßgeblich sind:
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, jegliche Kreatur schafft und lenkt und dass er allein der Urheber alles dessen ist, was geschah, geschieht und geschehen wird.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, einzig ist und dass es keine Einheit seinesgleichen gibt, in keinerlei Hinsicht, und dass er allein unser Gott war, ist und sein wird.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, unkörperlich ist und frei von jeder Möglichkeit, materiell vorgestellt zu werden; und dass ihm auch keine Gestalt beigelegt werden kann.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, Anfang und Ende ist.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, allein es ist, dem Anbetung gebührt, und dass es ungebührlich ist, außer ihm ein Wesen anzubeten.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass die Worte der Propheten alle wahrhaftig sind.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass die Kündung unseres Lehrers Moses, Friede ihm, die Wahrheit und dass er von allen Propheten, früheren wie späteren, der Vater war.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass diese Tora, wie wir sie jetzt besitzen, die gleiche ist, die unserem Lehrer Moses übergeben wurde.
Ich glaube in ganzem Glauben, dass diese Tora unverwechselbar ist und dass es nie eine andere Lehre vom Schöpfer her, gelobt sei sein Name, geben wird.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, alles Tun und jegliches Trachten der Menschen kennt, wie es heißt: Er, der ihre Herzen ganz und gar gebildet, Er weiß auch all ihr Tun.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, wohl vergilt all denen, die seine Gebote erfüllen, und übel tut denen, die seine Gebote brechen.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass der Messias kommt, und ungeachtet seines langen Ausbleibens erwarte ich täglich seine Ankunft.
Ich glaube mit ganzem Glauben, dass einst zu seiner Zeit, wenn es dem Schöpfer, gelobt sei sein Name und erhoben sein Gedenken immer und ewig, wohl gefällt, die Toten auferstehen werden.
Über das Jenseits und das Leben der "zukünftigen Welt" (Paradies für die Gerechten, Läuterung, Verdammnis der Ungerechten) gibt es im Judentum keine verbindlichen Aussagen. Manche halten eine Wiedergeburt für möglich, aber nicht für erstrebenswert. Eine Wiedergeburt wird dabei Menschen zugedacht, die ein wesentliches Ziel auf Erden nicht erreicht haben.
3. Heiligung des Alltags
3.1. Gebete
Für fromme Jüdinnen und Juden ist das ganze Leben Gottesdienst. Eine große Rolle spielen auch die Berachot, die Segenssprüche bei allen möglichen Ereignissen (z. B. beim Schneiden des Brotes: "Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du das Brot aus der Erde hervorbringst!"). Neben Lobgebeten, gibt es auch Bittgebete. Die offiziellen Gebete, wie sie im Siddur (Gebetbuch) fixiert sind, werden in Hebräisch und Aramäisch gesprochen. In der Synagoge einer orthodoxen Gemeinde darf nur ein Mann vorbeten, zu Hause haben auch Frauen gottesdienstliche Pflichten (z. B. das Entzünden der Sabbatkerzen am Freitagabend). Vor dem Gebet ist das Waschen der Hände und für Männer das Bedecken des Kopfes, Anlegen des Gebetsmantels (Tallit) und der Gebetsriemen (Tefillin) vorgeschrieben. Der Tag beginnt mit dem Morgengebet (Schacharit), das Nachmittags- und Abendgebet werden meist zusammen verrichtet. Der wichtigste Gebetstext ist bei Gemeindegottesdiensten immer das so genannte Achtzehnbittengebe", das Sch´mone Esre. Eines der häufigsten Gebete ist das Kaddisch. Es soll zehnmal am Tag rezitiert werden und wird auch zum Totengedenken gesprochen.
3.2. Speisevorschriften (Kaschrut)
Der Heiligung des Lebens dienen auch die strengen und auf Nichtjuden befremdend wirkenden zahlreichen Speisevorschriften, die in drei Gruppen gegliedert werden können:
Reine und unreine Tiere: Koscher ("rein", d.h. religiös zulässig) ist das Fleisch von Wiederkäuern, deren Hufe gespalten sind (Schweinefleisch ist also verboten!). Geflügel ist erlaubt, Raubvögel sind verboten. Erlaubt sind Wassertiere, die Flossen und Schuppen haben, verboten sind Aale, Muschel, Insekten etc. Tiere, die andere Tiere fressen, und Tiere, die von anderen gerissen worden oder von selbst verendet sind, dürfen nicht gegessen werden.
Schächtung (Schechita): Rituelle Schlachtung, damit das Fleisch voll ausbluten kann. Denn Genuss von Blut (außer von Fischen) ist ganz streng verboten. Es müssen auch bestimmte Teile entfernt werden (Hüftsehne etc.)
Kochvorschriften: Fleisch darf nicht mit Milch oder Milchprodukten zusammen gekocht oder gegessen werden. Ein koscherer Haushalt hat deshalb auch getrenntes Geschirr (Fleischgeschirr, Milchgeschirr) und getrennte Abwasch (oder spezielle Geschirrspüler).
Orthodoxe Juden essen nur Speisen, deren Zusammensetzung sie genau kennen, oder deren koscherer Inhalt von einem Rabbiner bestätigt wird.
4. Feste und Feiern
4.1. Synagoge
Die Synagoge spielt als Ort des Versammelns, des Hörens, des Lernens und des Gebetes eine zentrale Rolle im jüdischen Leben. An der Ostwand in einer Nische steht der Toraschrein mit handgeschriebenen Torarollen. Er gibt auch die Gebetsrichtung (Jerusalem) an. Vor dem Toraschrein brennt ein ewiges Licht (Ner Tamid). Im Raum befindet sich ein Podest für den Chasan (Vorbeter und Kantor) und ein Podest mit dem Lesepult (Bima, Almemor), von wo der Vorleser den jeweiligen Toraabschnitt vorträgt. Männer und Frauen nehmen in orthodoxen Synagogen getrennt Platz, Frauen auf einer Galerie oder hinter einem Gitter. (Frauen sind nicht zur aktiven Teilnahme am Gottesdienst verpflichtet.) Damit ein Gottesdienst gefeiert werden darf, muss mindestens ein Minjan, das sind zehn religionsmündige Männer, versammelt sein.
4.2. Sabbat
Der größte Feiertag der Juden ist der wöchentliche Sabbat (vom Freitagabend bis Samstagabend). Gott selbst hat - nach dem Schöpfungshymnus der Bibel - am siebenten Tag der Schöpfung geruht und den siebenten Tag gesegnet und geheiligt Markus 12,1-44Markus 12,1-44: Und er fing an, in Gleichnissen zu ihnen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Wachtturm und verpachtete ihn an Weingärtner und reiste außer Landes. Und er sandte zur bestimmten Zeit einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern [seinen Anteil] von der Frucht des Weinberges empfange. Die aber ergriffen ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Und wiederum sandte er einen anderen Knecht zu ihnen; und den steinigten sie, schlugen ihn auf den Kopf und schickten ihn entehrt fort. Und er sandte wiederum einen anderen, den töteten sie, und noch viele andere; die einen schlugen sie, die anderen töteten sie. Nun hatte er noch einen einzigen Sohn, seinen geliebten; den sandte er zuletzt auch zu ihnen und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen! Jene Weingärtner aber sprachen untereinander: Das ist der Erbe! Kommt, laßt uns ihn töten, so wird das Erbgut uns gehören! Und sie ergriffen ihn, töteten ihn und warfen ihn zum Weinberg hinaus. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben! Habt ihr nicht auch dieses Schriftwort gelesen: 'Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen'? Da suchten sie ihn zu ergreifen, aber sie fürchteten das Volk; denn sie erkannten, daß er das Gleichnis gegen sie gesagt hatte. Und sie ließen ab von ihm und gingen davon. Und sie sandten etliche von den Pharisäern und Herodianern zu ihm, um ihn in der Rede zu fangen. Diese kamen nun und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und auf niemand Rücksicht nimmst; denn du siehst die Person der Menschen nicht an, sondern lehrst den Weg Gottes der Wahrheit gemäß. Ist es erlaubt, dem Kaiser die Steuer zu geben, oder nicht? Sollen wir sie geben oder nicht geben? Da er aber ihre Heuchelei erkannte, sprach er zu ihnen: Weshalb versucht ihr mich? Bringt mir einen Denar, damit ich ihn ansehe! Da brachten sie einen. Und er sprach zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? Sie aber sprachen zu ihm: Des Kaisers! Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Und sie verwunderten sich über ihn. Und es kamen Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung; und sie fragten ihn und sprachen: Meister, Mose hat uns geschrieben: Wenn jemandes Bruder stirbt und eine Frau hinterläßt, aber keine Kinder, so soll sein Bruder dessen Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken. Nun waren da sieben Brüder. Und der erste nahm eine Frau, und er starb und hinterließ keine Nachkommen. Da nahm sie der zweite, und er starb, und auch er hinterließ keine Nachkommen; und der dritte ebenso. Und es nahmen sie alle sieben und hinterließen keine Nachkommen. Als letzte von allen starb auch die Frau. In der Auferstehung nun, wenn sie auferstehen, wessen Frau wird sie sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt. Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Irrt ihr nicht darum, weil ihr weder die Schriften kennt noch die Kraft Gottes? Denn wenn sie aus den Toten auferstehen, so heiraten sie nicht noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie die Engel, die im Himmel sind. Was aber die Toten anbelangt, daß sie auferstehen: Habt ihr nicht gelesen im Buch Moses, bei [der Stelle von] dem Busch, wie Gott zu ihm sprach: 'Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs'? Er ist nicht der Gott der Toten, sondern der Gott der Lebendigen. Darum irrt ihr sehr. Da trat einer der Schriftgelehrten herzu, der ihrem Wortwechsel zugehört hatte, und weil er sah, daß er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das erste Gebot unter allen? Jesus aber antwortete ihm: Das erste Gebot unter allen ist: 'Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist Herr allein; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft!' Dies ist das erste Gebot. Und das zweite ist [ihm] vergleichbar, nämlich dies: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!' Größer als diese ist kein anderes Gebot. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Recht so, Meister! Es ist in Wahrheit so, wie du sagst, daß es nur {einen} Gott gibt und keinen anderen außer ihm; und ihn zu lieben mit ganzem Herzen und mit ganzem Verständnis und mit ganzer Seele und mit aller Kraft und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer! Und da Jesus sah, daß er verständig geantwortet hatte, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes! Und es getraute sich niemand mehr, ihn weiter zu fragen. Und Jesus begann und sprach, während er im Tempel lehrte: Wie können die Schriftgelehrten sagen, daß der Christus Davids Sohn ist? David selbst sprach doch im Heiligen Geist: 'Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!' David selbst nennt ihn also Herr; wie kann er dann sein Sohn sein? Und die große Volksmenge hörte ihm mit Freude zu. Und er sagte ihnen in seiner Lehre: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, welche gern im Talar einhergehen und auf den Märkten sich grüßen lassen und die ersten Sitze in den Synagogen und die obersten Plätze bei den Mahlzeiten einnehmen wollen, welche die Häuser der Witwen fressen und zum Schein lange Gebete sprechen. Diese werden ein um so schwereres Gericht empfangen! Und Jesus setzte sich dem Opferkasten gegenüber und schaute zu, wie die Leute Geld in den Opferkasten legten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe, die legte zwei Scherflein ein, das ist ein Groschen. Da rief er seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten gelegt als alle, die eingelegt haben. Denn alle haben von ihrem Überfluß eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt. . Detaillierte Gebote und Verbote sorgen dafür, dass er als heiliger Ruhetag hervorragt. "Strenggläubige" Juden bedienen am Sabbat keinen Lichtschalter, fahren nicht mit dem Auto, telefonieren nicht etc.
Am Sabbat sind 39 Arten von "Arbeit" verboten:
1. Säen 2. Pflügen 3. Mähen 4. Garbenbinden 5. Dreschen 6. Getreide schwingen 7. Reinigen der Ernte 8. Mahlen 9. Sieben 10. Kneten 11. Backen 12. Scheren 13. Waschen 14. Klopfen von Wolle 15. Färben von Wolle 16. Spinnen 17. Weben 18.zwei Schleifen machen 19.zwei Fäden flechten 20.zwei Fäden voneinander trennen 21.einen Knoten binden 22.einen Knoten lösen 23.zwei Stiche nähen 24. Auftrennen, um zwei Stiche zu nähen 25. Jagen einer Gazelle oder eines ähnlichen Tieres 26. Schlachten 27.die Haut eines Tieres abziehen 28.die Haut eines Tieres salzen 29.das Fell eines Tieres trocknen 30.ein Fell schaben 31.ein Fell aufschneiden 32.zwei Buchstaben schreiben 33.etwas ausradieren, um zwei Buchstaben zu schreiben 34. Bauen 35. Niederreißen 36.ein Feuer löschen 37.ein Feuer entfachen 38.mit einem Hammer schlagen 39.irgend etwas von einem Ort zu einem anderen tragen, z. B. aus einem privaten in einen öffentlichen Bereich und umgekehrt. (Talmud, Mischna Schabbat 7:2)
Trotz dieser und vieler anderer Einschränkungen wird der Sabbat von frommen jüdischen Familien als Tag der Freude (Gottesdienste in der Synagoge, Zeit für Familie, Besinnung) verstanden. Die Kritik Jesu richtet sich nicht gegen den Sabbat überhaupt, sondern gegen einen Legalismus, der z. B. sogar das Heilen eines Menschen am Sabbat verbieten will. Vom Judentum haben viele Gesellschaften, auch Christentum und Islam, den Wochenrhythmus übernommen.
4.3. Wichtige Feste im Jahreskreis
Das jüdische Jahr wird nach Mondphasen berechnet und hat daher nur 354 Tage. Durch Schaltmonate wird es aber dem Sonnenjahr angepasst. Die Zeitrechnung richtet sich "nach der Erschaffung der Welt". Im Herbst des christlichen Jahres 2000 beginnt das jüdische Jahr 5761.
Rosch Ha-Schana im Herbst (1./2. Tischri): Neujahrsfest.
Jom Kippur im Herbst (10. Tischri): Versöhnungstag - höchster Feiertag, Fast- und Bußtag, Sühne für alle Sünden (Levitikus 23,27-32)
Sukkot , eine Woche im Herbst (15. - 23. Tischri): Laubhüttenfest : In Erinnerung an die Wüstenwanderung Israels werden Laubhütten aufgestellt. Am letzten Tag ist das Fest der Torafreude (Simchat Tora)
Chanukka im Winter (25. Kislew bis 2. Tewet): Lichterfest (Chanukkaleuchter) als Erinnerung an die Neuweinweihung des Tempels in der Makkabäerzeit (165 v. Chr.).
Purim (14. Adar): Fest in Erinnerung an die Errettung der Juden durch Ester im Perserreich, von Kindern faschingsähnlich begangen.
Pessach, das Osterfest im Frühling (15.-21. Nisan): Fest des Auszuges aus Ägypten (Levitikus 23,5-149), Fest der Ungesäuerten Brote (Mazzot), Mahl in der Familie, Vorbild für christliche Eucharistiefeier (Brotsegen, Weinsegen)
Schawuot, 50 Tage nach Pessach (6./7. Siwan): Wochenfest, Dank für Kornernte (biblische Zeit), Fest der Offenbarung Gottes am Sinai
4.4. Feste und Feiern im Laufe des Lebens
Beschneidung (Brit Mila): Jedes Kind einer jüdischen Mutter ist - unabhängig vom Vater - Jude oder Jüdin. Äußeres Zeichen der Zugehörigkeit zum Judentum, "Zeichen des Bundes" (Brit), ist für Buben die Beschneidung am achten Tag nach der Geburt (in der Synagoge oder zu Hause, meist durch den Mohel, den Beschneider, vorgenommen), wobei auch der Vorname des Kindes verkündet wird. Bei Mädchen wird der Vorname in einer eigenen Zeremonie in der Synagoge verkündet.
Bar Mizwa: Mit 13 Jahren gilt der Knabe als religionsmündig. Bei der Feier der Bar Mizwa (bedeutet "Sohn der Pflicht") in der Synagoge darf der junge Mann erstmals aus der Tora vorlesen. Mädchen werden schon mit 12 Jahren religionsmündig. Nur in Reformgemeinden werden für sie Bat Mizwa-Feiern gehalten.
Eheschließung (Kidduschin): Die von einem Rabbiner geleitete Feier findet im Freien oder in der Synagoge, immer aber unter der Chuppa (Baldachin) statt. Die Trauung vollzieht der Bräutigam allein - "er nimmt sich eine Frau" (ein gegenseitiges Versprechen gibt es nicht) - durch Ringübergabe, dann wird die von zwei Zeugen unterschrieben Ketubba (Ehevertrag) verlesen und der Rabbiner spricht den Segen.
Sterbebegleitung und Begräbnis: Mit dem Sterbenden sollen bestimmte Gebete gesprochen werden, vor allem das Sch´ma. Der Verstorbene soll noch am selben Tag nach rituellen Waschungen in einfachem Totengewand (Männer mit Tallit) beerdigt werden. Im schlichten Sarg soll etwas Erde aus Israel sein. Das Totengebet am Grab, den Kaddisch, spricht der Sohn oder der nächste männliche Verwandte. Beim Grabbesuch legt man einen Stein auf das Grab. Blumenschmuck gibt es nicht. Feuerbestattung ist verboten.
5. Ethik
Jüdische Ethik ist wie die christliche geprägt von Gottes- und Nächstenliebe. Die beiden Gebote, die Christen zusammenfassend als "Hauptgebot der Liebe" bezeichnen, hat Jesus der Tora entnommen und sie zum Kern der Tora und der Prophetenbücher erklärt. Eine wesentliche Rolle spielen natürlich die biblischen "Zehn Gebote Gottes", die Juden und Christen gemeinsam sind. Ehe und Familie sind als Zentrum des religiösen Lebens sehr wichtig. Ehescheidung ist möglich, wobei aber die Frau nicht gleichberechtigt ist (der Mann muss den Scheidebrief ausstellen). Der Jude Dr. Michael Rosenkranz hat in einem Vortrag für Kinder jüdische Ethik so zusammengefasst:
"Ganz am Anfang der Heiligen Schrift steht, dass Gott den Menschen in Seinem Ebenbild erschaffen hat. Das aber bedeutet, dass jeder Mensch, dem wir begegnen, uns das Antlitz Gottes zeigt, und wir in jedem Menschen etwas von Gott erkennen können. Wenn wir aber Gott im anderen Menschen erkennen, wird dieser uns nicht mehr fremd sein. Wir werden ihn achten und lieben können so wie uns selbst. Denn auch wir tragen das Antlitz dieses Gottes, des Einzigen."
6. Strömungen im Judentum
Schon im christlichen Neuen Testament lesen wir von verschiedenen religiösen Richtungen im Judentum (Sadduzäer, Pharisäer) zur Zeit Jesu. Jesus ist in vielen Punkten den Pharisäern nahe, auch wenn er manches hart kritisiert. Heute gibt es neben den kulturellen Unterschieden zwischen "europäischen" und "orientalischen" Juden vor allem drei Gruppen, die für die Religion von grundsätzlicher Bedeutung sind:
Die Orthodoxen: Dazu zählen sich alle, für die Tora und Talmud abgeschlossene und unabänderliche göttliche Offenbarung sind (daher keine Rabbinerinnen, ganz strenge Sabbatgesetze etc). Sie halten sich streng an alle überkommenen Gesetze, glauben an das Kommen des Messias und die körperliche Auferstehung der Toten am Ende der Welt. Besondere Spielarten: die Ultraorthodoxen und der Chassidismus (aus Osteuropa).
Liberales Judentum, auch Reformjudentum genannt (mit eigenen Reformgemeinden): Tora und Talmud müssen stets neu, der Zeit angepasst, interpretiert werden. Frauen dürfen neben den Männern in der Synagoge sitzen, Rabbinerinnen werden etc.
Die Konservativen: stehen zwischen Orthodoxen und Liberalen, treten für die Gleichberechtigung der Frau ein und lassen Rabbinerinnen zu.
7. Juden und Christen - Geschwister im Glauben?
Juden und Christen verbindet der Glaube an den einen Gott, der in Abraham alle Geschlechter der Erde segnen will. Dieser Gott wird bezeugt in der hebräischen Bibel, die für Juden und Christen gemeinsam Heilige Schrift ist (von Christen Erstes oder Altes Testament genannt).
Das Christentum hat seinen Ursprung im Judentum: Jesus von Nazaret, von der Jüdin Maria geboren, die Apostel und die ganze Urgemeinde in Jerusalem waren gläubige Juden und Jüdinnen. "Das Heil kommt von den Juden" Lukas 11,1-54Lukas 11,1-54: Und es begab sich, daß er an einem Ort im Gebet war; und als er aufhörte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte! Da sprach er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Unser Vater, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name! Dein Reich komme! Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auch auf Erden. Gib uns täglich unser nötiges Brot! Und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben jedem, der uns etwas schuldig ist! Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen! Und er sprach zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hätte und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Freund, leihe mir drei Brote, denn mein Freund ist von der Reise zu mir gekommen, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann! und jener würde von innen antworten und sagen: Mache mir keine Mühe! Die Türe ist schon verschlossen, und meine Kinder sind bei mir in der Kammer; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben! - ich sage euch: Wenn er auch nicht deswegen aufstehen und ihm etwas geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er doch um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, soviel er braucht. Und ich sage euch: Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan! Denn jeder, der bittet, empfängt; und wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan. Welcher Vater unter euch wird seinem Sohn einen Stein geben, wenn er ihn um Brot bittet? Oder wenn [er ihn] um einen Fisch [bittet], gibt er ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder auch wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm einen Skorpion geben? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben versteht, wieviel mehr wird der Vater im Himmel [den] Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten! Und er trieb einen Dämon aus, und der war stumm. Es geschah aber, nachdem der Dämon ausgefahren war, redete der Stumme. Und die Volksmenge verwunderte sich. Aber etliche von ihnen sprachen: Durch Beelzebul, den Obersten der Dämonen, treibt er die Dämonen aus! Und andere versuchten ihn und verlangten von ihm ein Zeichen aus dem Himmel. Er aber, da er ihre Gedanken kannte, sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus, das gegen sich selbst ist, fällt. Wenn aber auch der Satan mit sich selbst uneins ist, wie kann sein Reich bestehen? Ihr sagt ja, ich treibe die Dämonen durch Beelzebul aus. Wenn ich aber die Dämonen durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen! Wenn der Starke bewaffnet seinen Hof bewacht, so bleibt sein Besitztum in Frieden. Wenn aber der, welcher stärker ist als er, über ihn kommt und ihn überwindet, so nimmt er ihm seine Waffenrüstung, auf die er sich verließ, und verteilt seine Beute. Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut! Wenn der unreine Geist von dem Menschen ausgefahren ist, so durchzieht er wasserlose Gegenden und sucht Ruhe. Und da er sie nicht findet, spricht er: Ich will zurückkehren in mein Haus, aus dem ich weggegangen bin. Und wenn er kommt, findet er es gesäubert und geschmückt. Dann geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, die bösartiger sind als er selbst, und sie ziehen ein und wohnen dort, und es wird der letzte Zustand dieses Menschen schlimmer als der erste. Es geschah aber, als er dies redete, da erhob eine Frau aus der Volksmenge die Stimme und sprach zu ihm: Glückselig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast! Er aber sprach: Glückselig sind vielmehr die, die Gottes Wort hören und es bewahren! Als aber die Volksmenge sich haufenweise herzudrängte, fing er an zu sagen: Dies ist ein böses Geschlecht! Es fordert ein Zeichen; aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleichwie Jona den Niniviten ein Zeichen war, so wird es auch der Sohn des Menschen diesem Geschlecht sein. Die Königin des Südens wird im Gericht auftreten gegen die Männer dieses Geschlechts und sie verurteilen; denn sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören; und siehe, hier ist einer, der größer ist als Salomo! Die Männer von Ninive werden im Gericht auftreten gegen dieses Geschlecht und werden es verurteilen; denn sie taten Buße auf die Verkündigung des Jona hin; und siehe, hier ist einer, der größer ist als Jona! Niemand aber zündet ein Licht an und setzt es an einen verborgenen Ort, auch nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit die Hereinkommenden den Schein sehen. Das Auge ist die Leuchte des Leibes. Wenn nun dein Auge lauter ist, so ist auch dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. So habe nun acht, daß das Licht in dir nicht Finsternis ist! Wenn nun dein ganzer Leib licht ist, so daß er keinen finsteren Teil mehr hat, so wird er ganz hell sein, wie wenn das Licht mit seinem Strahl dich erleuchtet. Und während er redete, bat ihn ein gewisser Pharisäer, bei ihm zu Mittag zu essen. Und er ging hinein und setzte sich zu Tisch. Der Pharisäer aber verwunderte sich, als er sah, daß er sich vor dem Mittagsmahl nicht gewaschen hatte. Da sprach der Herr zu ihm: Nun, ihr Pharisäer, ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, euer Inneres aber ist voll Raub und Bosheit. Ihr Toren! Hat nicht der, welcher das Äußere schuf, auch das Innere gemacht? Gebt nur von dem, was darin ist, Almosen, siehe, so ist euch alles rein! Aber wehe euch Pharisäern, daß ihr die Minze und die Raute und alles Gemüse verzehntet und das Recht und die Liebe Gottes umgeht! Dieses sollte man tun und jenes nicht lassen. Wehe euch Pharisäern, daß ihr den ersten Sitz in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Märkten liebt! Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, daß ihr wie die unkenntlich gewordenen Gräber seid, über welche die Leute dahingehen, ohne es zu wissen! Da antwortete einer der Gesetzesgelehrten und sprach zu ihm: Meister, mit diesen Worten schmähst du auch uns! Er aber sprach: Wehe auch euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr ladet den Menschen unerträgliche Bürden auf, und ihr selbst rührt die Bürden nicht mit einem Finger an. Wehe euch, daß ihr die Grabmäler der Propheten baut! Eure Väter aber haben sie getötet. So bestätigt ihr also die Taten eurer Väter und habt Wohlgefallen daran; denn jene haben sie getötet, ihr aber baut ihre Grabmäler. Darum hat auch die Weisheit Gottes gesprochen: Ich will Propheten und Apostel zu ihnen senden, und sie werden etliche von ihnen töten und verfolgen, damit von diesem Geschlecht das Blut aller Propheten gefordert werde, das seit Grundlegung der Welt vergossen worden ist, vom Blut Abels an bis zum Blut des Zacharias, der zwischen dem Altar und dem Tempel umkam. Ja, ich sage euch, es wird gefordert werden von diesem Geschlecht! Wehe euch Gesetzesgelehrten, denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen! Ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die, welche hineingehen wollten, habt ihr daran gehindert! Und als er dies zu ihnen sagte, fingen die Schriftgelehrten und Pharisäer an, ihm hart zuzusetzen und ihn über vieles auszufragen, wobei sie ihm auflauerten und versuchten, etwas aus seinem Mund aufzufangen, damit sie ihn verklagen könnten. , bezeugt auch das Neue Testament.
Da viele Juden Jesus von Nazaret nicht als Messias anerkennen konnten, weil sie eine andere Vorstellung vom Messias hatten, hingegen Griechen, Römer und andere Heiden bereit waren, ohne Juden zu werden, Jesus als ihren "Herrn" und "Sohn Gottes" anzunehmen, kam es schon früh zur Trennung von Juden und Christen.
Dennoch: Das jüdische Volk bleibt - auch aus der Sicht der Christen - Träger der Verheißung Gottes und des Abraham-Segens. Es ist nicht von Gott verstoßen, sondern weiterhin von Gott geliebt. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965; Erklärung "Nostra aetate") und Papst Johannes Paul II., der als erster Papst offiziell in einer Synagoge betete und Juden als "bevorzugte Geschwister" der Christen bezeichnete, haben viel zu einem besseren Verständnis des Judentums innerhalb der katholischen Kirche beigetragen.
Auch Juden können heute die Rolle des Christentums und die Gestalt Jesu neu bewerten. Manche anerkennen, dass durch die weltweite Verbreitung der Botschaft des Juden Jesus durch die Kirche unzählige Menschen den einen Gott kennen gelernt und Anteil an dem Segen Abrahams erhalten haben.
Gemeinsam ist Juden und Christen auch die Hoffnung auf das Kommen des Messias. Während Christen Jesus als den Wiederkommenden erwarten, kennen Juden den Namen des Messias noch nicht.
Auch wenn in dieser Zeit die Einstellung zur Person Jesu zwischen Juden und Christen noch kontrovers ist, sprechen sie einander das ewige Heil nicht ab, sondern hoffen miteinander und füreinander auf die Auferstehung und das ewige Leben in Gott.
"Erhoben und geheiligt ist Sein großer Name in der Welt, die Er erneuern wird. Er belebt die Toten und führt sie empor zu ewigem Leben ..." (Beginn des Kaddisch)"
Es könnte sein, dass er, der am Ende der Tage kommen wird - er, der die Hoffnung der Synagoge und der Kirche ist - das gleiche Antlitz trägt." (Hans-Joachim Schoeps, jüd. Religionswissenschaftler,1909-1980, zit. nach: Franz v. Hammerstein, Das Messiasproblem bei Martin Buber, Stuttgart 1958 (StDel 1), 102 Anm. 42)
(Quellen: Hirsch, Leo - Jüdische Glaubenswelt - Victor Goldschmidt Verlag, Basel, 1978. Sidur S`fath Emeth - Victor Goldschmidt Verlag, Basel, 1972)